Leichlingen, 7.10.07

Erntedank

Einleitung

Heute soll es auch in der Predigt um das Thema „Erntedank“ gehen und manch einer wird sich wundern, daß wir uns erst heute damit beschäftigen, obwohl eigentlich schon letzten Sonntag Erntedank war.

Daß wir hier eine Woche später Erntedank feiern, ist eine Tradition von unserer Gemeinde, wobei ich aber gar nicht weiß, woher diese Tradition stammt.

Für mich hat diese Tradition den Vorteil, daß ich letzte Woche in Witzhelden schon Erntedank feiern konnte, und mich so ein wenig schon mit diesem Thema anschaulich beschäftigen konnte.

In Witzhelden – die meisten hier werden das wissen – findet ein richtiger Umzug zu Erntedank statt, der fast an unserem Haus vorbeikommt.

Da versammelt sich an der Einmündung zur Hauptstraße unsere ganze Straße und alle möglichen Verwandten und ehemaligen Bewohner dieser Straße kommen dazu und wir schauen uns den Zug an.

Dieser Zug erinnert sehr an einen Karnevalszug, ca 15 Wagen oder so, nur halt ohne Karnevalsmusik und ohne die – für mein Empfinden – oft aufgesetzte Karnevalsfröhlichkeit.

Dieser Zug steht immer unter einem Motto und das diesjährige Motto hat mir diesmal u.a. die Schwierigkeit einer Predigt über Erntedank für Augen geführt:

Witzhelden: So war es, so ist es und so wird es bleiben.

(Das stand da natürlich im bergischen Platt, was ich als Zugezogener aber nicht kann.)

Das gilt ja auch irgendwie für unseren Erntedankgottesdienst, den wir jedes Jahr durchführen. So war es, so ist es heute und so wird es bleiben.

Das kann man negativ auffassen – immer dasselbe – und das kann man aber auch positiv sehen, weil es bei manchen Dingen einfach sinnvoll ist, sich immer wieder neu zu erinnern.

Beim Erntedankfest finde ich es sinnvoll, weil es für uns sinnvoll ist, sich daran zu erinnern, woher unsere materielle Versorgung kommt.

In schlechten Ehen ist es ja manchmal so, daß, wenn der Mann von der Arbeit nach Hause kommt, die Frau nicht da ist und einen Zettel auf den Küchentisch gelegt hat, wo drauf steht: „Schatz, Dein Essen ist im Supermarkt.“

Ich hoffe, das ist bei Euch nicht so, aber genauso macht man sich oft nur selten darüber Gedanken, daß das Essen eben nicht einfach nur aus dem Supermarkt kommt, genauso wenig, wie der Strom nur aus der Steckdose, das Wasser nur aus dem Hahn und das Gas nur aus der Leitung kommt.

Ich möchte nun zuerst einmal mit Euch betrachten, wie das Erntedankfest im alten Testament bei Israel beschrieben ist.

Erntedankfest im alten Testament

Im 2. Buch Mose sind zu Anfangs 3 Feste von Gott eingesetzt worden und zwei davon sind im Prinzip Erntedankfeste.

Zuerst soll das Fest der ungesäuerten Brote, direkt im Anschluß an das Passah, gefeiert werden.
Dabei soll sieben Tage lang nur ungesäuertes Brot gegessen werden.
Der Sinn darin liegt laut 5. Mose 16, 3 an die Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, weil ungesäuertes Brot als Brot des Elends und der Hast angesehen wurde.

Sieben Wochen später kam dann das Fest der Ernte oder Fest der Wochen, wo die Ernte an sich gefeiert wurde.
Hierbei wird besonders das betont, was als erstes geerntet wurde, die Erstlinge der Ernte, wobei es sich um Getreide handelte.
Hierbei war es Pflicht, das Beste der Erstlinge in den Tempel zu bringen und damit Gott zu geben (2. Mose 34, 26).
Weiterhin konnten bei dieser Feier freiwillige Gaben gebracht werden, für die dann Segen (5. Mose 16, 10) versprochen wurde.
Dieses Fest sollte laut 5. Mose 16, 11 eine freudige Sache für alle Einwohner in Israel werden und war damit auch ein Geschenk von Gott.

Als drittes Fest folgte dann das „Fest des Einsammelns“ oder auch „Laubhüttenfest“ genannt.
Dieses Fest wurde laut 5. Mose 16, 13 gefeiert, wenn die Ernte eingelagert wurde.
Hiermit wurde also auch der Abschluß der Ernte gefeiert.
Auch hier wird laut 5. Mose 16, 14.15 die Freude für alle Einwohner in Israel verordnet.
Am Ende von V. 15 wird das noch einmal betont:

Denn der Herr, dein Gott, wird dich segnen in all deinem Ertrag und in allem Tun deiner Hände, und du sollst wirklich fröhlich sein.

Bei diesem dritten Fest gibt es indirekt auch noch eine soziale Komponente:
Laut 3. Mose 23, 22 durften die Felder nicht vollständig abgeerntet werden und es durfte auch keine Nachlese erfolgen.
Das, was übrig war, konnten sich die Armen und Fremden holen.
Auf diese Weise wurden die Ärmsten vorm Verhungern gerettet, weil es ja noch kein staatliches Sozialsystem gab.

Außerdem konnten sich die Ärmsten bei dem Fest auch mit freuen, weil sie ja gleichzeitig auch etwas zu Essen hatten.
Hier wird also der Gemeinschaftscharakter deutlich.

Das Feiern und Wohnen in Laubhütten während dieses Festes soll laut 3. Mose 23, 42.43 die Israeliten an die Flucht aus Ägypten erinnern, weil sie während der Flucht auch in Hütten gewohnt haben, daher ist das Laubhüttenfest also kein reines Erntefest.

Ich möchte nun einmal darüber mit Euch nachdenken, was die letzten beiden genannten Feste für uns heute bedeuten können.

Das Fest der ungesäuerten Brote hat ja mit Erntedank nichts zu tun und deshalb möchte ich es heute nicht betrachten.

Das Fest der Ernte

Hier stehen ja die Besten der Erstlinge der Ernte im Vordergrund, die ja Gott gehören sollen und dafür wird Segen versprochen.

Was hat diese Vorgehensweise uns heute zu sagen?

Als westlich geprägter Mensch neigt man wohl eher zum wirtschaftlichen Denken und könnte auf die Idee kommen, daß die Erstlinge, die man Gott gibt, eine Art Investition sind, für die man – durch Gottes Segen – reichhaltigen Mehrertrag bekommt.

Vielleicht kommt sogar manch einer auf die Idee, den Mehrertrag auszurechnen, indem er den Gesamtertrag von Nachbarn vergleicht, von denen er weiß, wieviel sie von ihren Erstlingen Gott geben ;-)

Es gibt zwar einige Bibelstellen, die auf eine solche – wirtschaftliche – Sichtweise hinzudeuten scheinen, aber ich denke, daß diese Sichtweise dem Text nicht gerecht wird.

Wie ist es richtig zu verstehen?
Ich möchte dafür zuerst einmal

das Geben an sich

im neuen Testament betrachten:

Im neuen Testament gibt es nicht mehr so eine Verordnung, daß man die Erstlinge seiner Ernte – seines Einkommens, was immer das auch im Detail so ist, – geben muß, sondern man wird da so ein bißchen alleine gelassen.

In 2. Korinther 9, 7 steht

Jeder gebe, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat: nicht mit Verdruß oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott.

Ich wollte diesen Vers erstmal alleine wirken lassen, bevor ich den Zusammenhang betrachte.

Die Entscheidung zum Geben ist völlig frei; jeder soll so geben, wie er es für angemessen hält.

Halten wir das mal fest und jetzt betrachten wir einmal den Textzusammenhang.

Es geht im vorigen Kapitel in 2. Korinther 8 um eine Aufforderung für eine arme Gemeinde zu sammeln und diese Aufforderung endet in einer allgemeinen Betrachtung übers Geben, wo auch der gerade genannte Vers zugehört.

Ich möchte nun einmal die Verse drumherum lesen (2. Korinther 9, 6-11)

6 Dies aber sage ich: Wer sparsam sät, wird auch sparsam ernten, und wer segensreich sät, wird auch segensreich ernten. 7 Jeder gebe, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat: nicht mit Verdruss oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott. 8 Gott aber vermag euch jede Gnade überreichlich zu geben, damit ihr in allem allezeit alle Genüge habt und überreich seid zu jedem guten Werk; 9 wie geschrieben steht: "Er hat ausgestreut, er hat den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit." 10 Der aber Samen darreicht dem Sämann und Brot zur Speise, wird eure Saat darreichen und mehren und die Früchte eurer Gerechtigkeit wachsen lassen, 11 und ihr werdet in allem reich gemacht zu aller Aufrichtigkeit im Geben, die durch uns Danksagung Gott gegenüber bewirkt.

Ich kann mich noch erinnern, wie ich diesen Text zum ersten Mal gelesen und was ich dabei empfunden habe.

Ich habe es als indirekten Zwang empfunden.

Man soll freiwillig geben.
Aber wenn man nicht gibt, dann gibt es auch keinen Segen und folglich ist man gezwungen zu geben, wenn man Segen haben will.
Aber das ist auch wieder falsch, denn es heißt ja „nicht aus Zwang“.

Dieses Denken entspricht dem vorhin erwähnten Investitionsdenken:
Um Segen zu bekommen, muß ich investieren, ob ich will oder nicht.

Das hört sich alles sehr schwierig an, einfacher wäre es doch, wenn es eine Verordnung gäbe, wieviel man geben muß.

In vielen Religionsgemeinschaften ist das so, z.B. gibt es im Islam eine Almosensteuer, die für jeden Moslem verpflichtend ist und die je nach Einkommensart berechnet wird.

Im alten Testament gab es ja neben dem Besten der Erstlingen und den Erstgeburten der Nutztiere ja auch noch die Vorschrift, daß man 10% des eigenen Bruttoertrags (3. Mose 27, 30) an den Tempel abführen mußte (den sogenannten Zehnten).
Hiermit wurden die Kosten für den Tempel – in erster Linie der Lebensunterhalt für die Tempeldiener, die Leviten – bestritten.

Wenn alles vorgeschrieben ist, dann ist es einfach.

Aber wie ist es richtig?

Kommen wir noch einmal zu den Erstlingen zurück.

Ich tu mal so, als wäre ich ein Bauer und hätte die richtige Einstellung:

Der erste Teil der Ernte ist eingebracht – dies war das Getreide – und nun kommt das Fest der Ernte.

Ich mache mir neu bewußt, daß das, was ich ernten konnte, ein Geschenk von Gott war und bin dankbar für das, was mir Gott gegeben hat.
Ich bin mir bewußt, daß ich von Gott abhängig bin, und vertraue auf ihn.

Und um dieses Vertrauen und diesen Dank deutlich zu machen, gebe ich Gott das Beste von dem, was ich ernten konnte.

Vielleicht wird mein Vertrauen und mein Dank dadurch auch öffentlich, aber ich denke, daß es in erster Linie eine Sache zwischen mir und Gott ist, weil nur Gott meine Herzenshaltung sehen kann.



Bin ich dankbar für meine Arbeit, für mein Gehalt, für alle Einkünfte?

Bin ich mir bewußt, daß ich von Gott abhängig bin, auch was meine materielle Versorgung angeht? Vertraue ich in dieser Hinsicht auch auf Gott?

Ich denke, daß diese Dankbarkeit, dieses Vertrauen, Gott gegenüber der Auslöser für unser Geben sein soll.

Der Segen, der hier und an vielen anderen Stellen versprochen wird, ist meiner Ansicht nach hier zweitrangig.

Wenn wir diesen Segen in den Vordergrund stellen, dann sind wir ganz schnell wieder dabei, daß wir unsere Gabe als Investition verstehen.

Aber wir dürfen den versprochenen Segen natürlich auch nicht vergessen:
Gott wird unsere Gaben segnen, denn er hat es ja versprochen.



Kommen wir jetzt zum

Fest des Einsammelns

Dieses Fest möchte ich eher mit einem Rückblick vergleichen, wo man sich selbst klar macht, was man alles von Gott bekommen hat.

Hin und wieder ist es sinnvoll, Bilanz zu ziehen.

Heutzutage machen wir das ja eher an Sylvester.
Man blickt aufs Jahr zurück und denkt darüber nach, was alles in diesem Jahr passiert ist.

Dabei ist es natürlich besonders wichtig, daß man da ehrlich zu sich selber ist.

Wir finden in der Bibel Menschen, die sich freuen, und wir finden in der Bibel auch Menschen, die vor Gott klagen.

Diese Ehrlichkeit ist sehr wichtig.
Es nützt niemandem was, wenn man vor anderen so tut, als wäre alles toll in Ordnung.

Wir finden diese Ehrlichkeit auch indirekt in dem vorhin erwähnten Vers, daß jeder so geben soll, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat:
Sich nicht selbst zum Geben zwingen, sondern die ehrliche Fröhlichkeit zum Geben anstreben.

Und genauso ist auch Ehrlichkeit vor sich selbst wichtig, wenn man zurückblickt.

Man kann sich beim Rückblick auch die in mancherlei Hinsicht böse Frage stellen, hat sich das Christsein denn überhaupt für mich gelohnt?

Da hat man wieder diesen investierenden Gedanken dabei:

Ich habe auf Gott vertraut und was ist für mich dabei herausgesprungen?

Was habe ich denn mit Gott eingesammelt?

Man muß sich dieser Frage schon ehrlich stellen.

Was macht man denn, wenn man so ganz für sich den Eindruck hat, das Leben mit Jesus lohnt sich gar nicht?

Die Freude, die die Israeliten bei diesem Fest hatten, stellt sich irgendwie nicht ein.

Vielleicht ist das Klagen vor Gott für Dich persönlich dran.
Vielleicht mußt Du Dein Herz vor Gott mal so richtig ausschütten, mal allen Mißmut, allen Frust 'rauslassen.
Es ist auch wichtig, daß Gespräch mit anderen Christen zu suchen, wobei es hier nicht um eine Therapie zur neuen Freude geht, sondern darum, daß man füreinander betet und Jesus um Antworten und Veränderung bittet.

Ich möchte diesen Bilanzgedanken einmal auf einer Ehe beziehen.

Man kann hier von zwei Zeiten vom Pferd fallen.

Zum einen kann man rein wirtschaftlich sagen, die Ehe bringt mir nichts mehr, also laß ich es.

Zum anderen kann man alle Probleme verdrängen, sich selbst belügen, daß man auch sich selbst immer vormacht, daß alles in Ordnung wäre.

Uns ist klar, daß beiden Sichtweisen falsch sind und daß bei einer Ehe die Beziehung im Mittelpunkt steht und daß man daran arbeiten muß und daß man weder mit einer rein egoistischen wie auch mit einer sich völlig selbstverleugnenden Sichtweise zum Ziel kommt.

Ähnlich ist es mit Dir und Jesus Christus.

Er wird in der Bibel als Dein Herr, Dein Freund, Dein Bruder, und noch manches mehr bezeichnet und alle diese Bezeichnungen treffen eine Facette Deiner Beziehung von Dir und Jesus.

Aber rein wirtschaftliche Bilanz dieser Beziehung ist genauso wenig angemessen, wie es das in einer Ehe ist.

Wenn Jesus in Deinem alltäglichen Leben kaum vorkommt, dann ist etwas falsch und wenn Du den Eindruck hast, daß das Leben mit Jesus überhaupt nichts bringt, dann ist auch etwas falsch und man muß es angehen, so wie es vorhin beschrieben wurde.

Aber es ist möglich:
Die Freude, die die Israeliten erlebt hatten, ist keine Seltenheit.

Und auch das erfüllte Leben mit Jesus und die Freude dabei ist keine Seltenheit.
Das möchte ich auch klarstellen.

Aber denken wir darüber nach: Wie sieht das aus, was wir eingesammelt haben?

Zusammenfassung

Das Fest der Erstlinge steht für mein Bewußtsein der Abhängigkeit von Gott und mein Vertrauen auf ihn und mein Dank für seine Versorgung und meine Gaben sind nur dann gute Gaben, wenn sie aus dieser Haltung heraus passieren.

Das Fest des Einsammelns macht mir klar, in welchem Zustand meine Beziehung zu Jesus gerade ist.
Erlebe ich diese Freude oder habe ich Grund zur Klage?
Wir müssen da ehrlich vor uns selbst sein.

Aber das erfüllte Leben mit Jesus und die Freude dabei ist keine Seltenheit.

AMEN



Segen:

2. Korinther 9, 8;

Gott aber vermag euch jede Gnade überreichlich zu geben, damit ihr in allem allezeit alle Genüge habt und überreich seid zu jedem guten Werk;